21. Mai 2014

Gelesen: „Die neue Welt des 3D-Drucks“

Eine kurze Rezension der deutschen Ausgabe von „Fabricated“ von Hod Lipson und Melba Kurman.

Ian Anderson hat mit seinem Buch „Makers“ eine echte Steilvorlage geliefert. Und in der Tat ist das Thema 3D-Druck revolutionierend in Sachen individualisierte Produktion. Der deutsche Titel von „“Fabricated“, dem 2013 erschienenen Buch von Hod Lipson und Melba Kurman, lautet “Die neue Welt des 3D-Drucks“. Ohne große Umschweife bringt einern der erste Satz des Klappentextes (”Was würden Sie tun, wenn Sie eine Maschine hätten, die (fast) alles erschaffen kann?“) unmittelbar ins Thema. Insgesamt ist das Buch ein ansprechend verfasster Einblick in ein innovatives und bisweilen etwas surreal anmutendes Thema.

Zukunftsszenarien mit Science Fiction-Potenzial

Die neue Welt des 3D-DrucksSchon das erste Kapitel, “Science Fiction pur”, befasst sich mit gedruckten Blaubeer-Muffins, tragbaren Sicherheitsdruckern und 3D-Organen, mit denen auf dem Schwarzmarkt gehandelt wird. Auf den darauffolgenden rund 285 Seiten, nähern sich die Autoren in anekdotischem, aber dennoch differenziertem Ton, dem aktuellen und zukunftsträchtigen Thema des 3D-Drucks.

Nach dem futuristischen Ausblick auf das, was in naher Zukunft durch die 3D-Drucktechnologie alles möglich werden könnte, zeigen die Autoren zunächst all die Anwendungsbereiche auf, in denen die innovative Technik bereits seit Jahren genutzt wird. Manch Leser, für den das Buch der erste tiefergehende Kontakt mit der Thematik ist, dürfte bereits zu diesem Zeitpunkt von der Vielseitigkeit der Einsatzbereiche überrascht sein. Lipson und Kurman stellen daraufhin die zehn Leitsätze des 3D-Drucks auf und erklären deutlich, warum und wo Potenzial für die Technologie liegt.

Neben einem Porträt der “Maker”, den Early Adopters, die sich bereits jetzt 3D-Drucker in umfassenderem Maße zu Nutze machen, gehen die Autoren zudem ausführlich auf die verschiedenen Materialien und Druckarten ein und stellen ganz klar die tragende Rolle des 3D-Drucks in der Zukunft der Produktion heraus.

Die industrielle Revolution des 21. Jahrhunderts?!

Über die beschwingte aber sachliche Darstellung wird der Leser unweigerlich mit dem Phänomen einer bevorstehenden industriellen Revolution konfrontiert. Krisensituationen sollen schneller bewältigt werden können, Güter unverwechselbar und einzigartig werden, Produkteinführungen sollen ohne den bisher notwendigen Aufbau einer Infrastruktur möglich werden. Kurz: Das visuelle Denken wird direkt auf eine haptische Ebene gebracht und ermöglicht so Szenarien, die tatsächlich nach Science Fiction klingen.

Sehr treffend wird Abe Reichental, Geschäftsführer von “3D Systems”, zitiert: „[3D-Druck ist die] leere Leinwand des 21. Jahrhunderts.“ Nur eben im Raum möchte man ergänzen. Reichental ist einer jener Macher, die Lipson und Kurman beschreiben und selbst zu Wort kommen lassen. So zeichnen sie das Bild einer neuen Konsumwelt: Cloudfertigung statt Massenproduktion, individuelle Designtechnologie statt einheitlicher Konsumgüter und die ultimative Zusammenführung von realer und virtueller Welt. Dabei gelingt es den Autoren, mit Thematiken wie der Verschmelzung von Bits und Atomen zu jonglieren und dabei dennoch Alltagssprache und optimistische Darstellung beizubehalten.

Hintergründe und kontroverse Fragen

Laien werden im Verlaufe des Buches stringent in die Hintergründe eingeführt und lernen so auch komplexere Zusammenhänge zu verstehen. Bemerkenswert ist, dass Backgroundwissen und die Beschreibung des aktuellen Status Quo auch Platz für ethische Fragen lassen, etwa die Ersetzbarkeit des Menschen durch die Maschine, den Schwarzmarkt und das Copyright der Produkte. Zu jedem “Wenn” liefern die Autoren auch ein differenziertes “Aber” und stimmen so kein verklärtes Loblied auf den 3D-Druck an, sondern liefern vielmehr eine realistische und ganzheitliche Einschätzung zur Entwicklung des Themas.

Verständlicher und gelungener Einblick in ein komplexes Thema

Lipson und Kurman sehen die “neue Welt des 3D-Drucks” als wachsenden Markt, der noch elitär ist, aber in absehbarer Zeit seinen Abnehmerkreis signifikant erweitern wird. Neben Unterhaltungselektronik, Autoindustrie, Medizin- und Zahntechnik, Luft- und Raumfahrt ist nahezu jeder Industriezweig und auch der private Gebrauch denk- und machbar. Dabei ist es laut Darstellung der Autoren nicht unwahrscheinlich, dass die Komplexität gedruckter Objekte der Komplexität biologischer Objekte Konkurrenz machen könnte. Auch nicht kompatible Rohstoffe könnten beispielsweise zu einem einzigen Objekt gedruckt werden – beispielsweise ein Schaltkreis. Was schwer vorstellbar scheint, erhält durch die Lektüre des Buches eine reale Facon.

tldr;

“Die Neue Welt Des 3D-Drucks“ gibt einen umfassenden und verständlichen Einblick in die rapide wachsende Technologie und die aus ihr entstehenden Möglichkeiten. Für jeden Laien, der eine gelungene Zusammenfassung der Dynamik bekommen möchte – die weder zu tief geht, noch zu oberflächlich bleibt, ist die deutsche Version von „Fabricated“ eine gute Wahl. Die Autoren vermitteln die Faszination des Themas so überzeugend, dass man direkt selbst zum „Maker“ werden möchte.

Als großer TEDx-Fan (und Co-Organizer des TEDxMünster) möchte ich anschauliches in Bewegtbildform nicht vorenthalten. Beim TEDx äußert sich die Co-Autorin des Buches Melba Kurman in ihrem Talk zu den Themen Cloudmanufacturing und 3D-Printing:

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