Am 23. und 24. September fand die virtuelle DMEXCO @home statt. Wir waren dabei – und haben die Wissens- und Networking-Formate der Konferenz ausprobiert. Konnte die Online-Messe mit ihrer Präsenz-Schwester mithalten? Aus unserer Sicht ja – trotz einiger Stolpersteine.
Die Sessions: Vielfältiges Angebot
Über 20.000 Teilnehmer, mehr als 800 internationale Speaker und 260 Aussteller: Trotz digitaler Einschränkungen schreckten die DMEXCO-Veranstalter nicht vor Großformaten zurück. Über 160 Stunden Programm lagen vor uns. Genug, um damit eine ganze Woche zu füllen. Inklusive schlafloser Nächte. Für zwei Messetage allerdings ein überforderndes Angebot.
Nur eine intensive Vorbereitung konnte die Teilnehmer durch den digitalen Messedschungel navigieren. Eine Investition, die die Teilnehmer von physischen Messen nicht gewohnt sind. Denn: Bookmarking und Terminsetzung kostet viel Zeit. Die müssten die Besucher an regulären Arbeitstagen aufbringen. Vorausschauend war daher die Entscheidung der Organisatoren, die Plattform für individuelle Vorbereitungen schon sieben Tage vor dem Konferenzbeginn zu öffnen. Und sie nach dem 24. September nicht zu schließen.
Wer spannende Sessions verpasst hat, kann sie flexibel in der eigenen Aufzeichnungs-Bibliothek nachholen. Aufgrund der großen Upload-Menge aber erst ab Anfang Oktober. Zwar haben die DMEXCO-Veranstalter das so nicht kommuniziert – angesichts der schieren Masse an Video-Content war das allerdings mit gesundem Menschenverstand auch gar nicht anders zu erwarten. Zum Vergleich: Die Web Summit in Lissabon fährt als dreitägiges virtuelles Event gerade einmal gut die Hälfte an Speakern auf.
Während einige Sessions im diesjährigen Konferenzprogramm vom Titel her eher flach klangen oder Produktwerbung vermuten ließen, überzeugten andere durch ihren inhaltlichen Gehalt. Besonders die Masterclass “PR-Strategien: So schafft es Ihre Marke in die Medien” mit den Chefredakteuren der W&V bot nützliche Einblicke in die Textauswahl von Fachmedien. Unser Team schätzte daran vor allem die Balance zwischen den Insights in die Journalistenpraxis und der Interaktion mit den Zuhörern. Die Moderation von Chefredakteurin Verena Gründel war hier definitiv gelungen.
Leider nutzten nur sehr wenige Sprecher die vielfältigen Möglichkeiten der Interaktion, die die Plattform bot. Dass Online-Vorträge nicht vollständig frontal gestaltet sein müssen, scheint noch immer nicht bei allen Unternehmen und Mitarbeitern angekommen. Dabei bieten Umfragen oder FAQs wirklich sehr schöne Ansätze, um die Zuhörer/Zuschauer unmittelbar in eine Interaktion einzubinden. Dankenswerterweise verwendeten zumindest alle Speaker den Chat, der parallel zum Stream verfolgt werden konnte. Hier lief zu keinem Zeitpunkt etwas aus dem Ruder. Der Chat war so moderiert und sinnbringend.
Ein großer Vorteil gegenüber einer Präsenzmesse war, dass die Besucher schnell zwischen den einzelnen Sessions switchen konnten. Zudem blieb der Stream offen, wenn Nutzer das Fenster wechselten. So konnten die Teilnehmer gleichzeitig den Vortrag verfolgen, durch das virtuelle Programm scrollen oder das Virtual Cafe besuchen.
Das Networking: gleichzeitig einfacher und komplizierter
Die DMEXCO ist ein Ort der Vernetzung und Geschäftsanbahnung. Besonders gut funktionierte das in kleinen Austauschgruppen im Virtual Cafe, da sich die Teilnehmer hier in unterschiedliche Interessensgruppen aufteilten. Auch persönliche Audio-/Video-Calls erwiesen sich als Matchmaking-Booster. Gruppenanrufe starteten einfach über Gruppenchats. Extern hinzugefügte Teilnehmer konnten ihre Kontaktdaten mit nur einem Klick mit allen Gesprächsteilnehmern austauschen.
Schwieriger gestaltete sich das Netzwerken in Sessions. Zwar wurden die Teilnehmernamen im Chat angezeigt. Dennoch mussten Interessenten auf das Personenprofil klicken, um die Tätigkeiten und Interessen der Person zu erfahren. Ein Nachteil? Nicht ganz, wie wir finden. Auch bei Präsenzmessen kommt man nicht umhin, Informationen über das Gegenüber zu sammeln. Auf der DMEXCO @home waren diese sogar leichter zugänglich. Schließlich steht einem das eigene Unternehmen in der Regel nicht auf der Stirn geschrieben.
Im Gegensatz zu einer physischen DMEXCO mussten die Besucher interessante Aussteller selbst aussuchen und sind nicht beim Flanieren über das Messegelände über sie gestolpert. Leads im Showfloor zu generieren, könnte den Ausstellern also einige Schwierigkeiten bereitet haben. Einfacher war es in den Masterclasses und Deep Dives. Intermate Media z. B. generierte allein mit ihrem Masterclass “TikTok Masterminds” mehr als 600 Leads. Und 1plusX beteuert, dass die Teilnehmer im virtuellen Rahmen viel eher spontan zum Messestand kamen.
Die Technik: stabile Verbindung und herausragende Bildqualität
Der Ansturm auf die Plattform war gigantisch. Schon am ersten Tag verschickten die Teilnehmer 60.000 Nachrichten. An beiden Messetagen waren kontinuierlich 10.000 Besucher gleichzeitig live. Ein stabiles Framework sorgte dafür, dass die Plattform kein einziges Mal zusammenbrach. Die Videoübertragung aus den drei Kölner Studios verlief ebenfalls problemlos und mit konstant hoher Qualität. Kritikwürdig ist jedoch, dass die Plattform mobil nicht verfügbar war. Dieser Fehler ist vermutlich der geringen Vorbereitungszeit verschuldet. Nur drei Monate arbeitete das Team an dem Konferenztool. Hätten sich die Veranstalter schon früher von der Hoffnung gelöst, die DMEXCO könnte als physisches Event stattfinden, wäre dieses Problem jedoch eventuell lösbar gewesen.
DMEXCO @home: Genauso gut wie @Köln?
Auch unter den diesjährigen prekären Bedingungen hat die DMEXCO einen Raum für Vernetzung und Fortbildung geschaffen. Zum ersten Mal trafen Marketeers in einer neuen Form des Networkings wieder aufeinander und erhielten Inspiration für das tägliche Geschäft. Nicht alle Aussteller und Speaker schöpften aber das volle Potenzial der Plattform aus. Auch technisch und strategisch kann die Lösung noch weiterentwickelt werden. So könnten die Aussteller in ihren Showrooms mehr Leads generieren. Der Plan der DMEXCO-Veranstalter, die nächste Messe digital und in Präsenz zu organisieren, könnte die Vorzüge beider Welten vereinen.